Seit Jahren führen wir Gespräche mit Hilfesuchenden Kinder, Jugendlichen, Eltern, Lehrern und Erziehern. In den Gesprächen hört man häufig heraus, dass Nicht-Betroffene nur eine vage Vorstellung davon haben, wie es ist, mit Rheuma zu leben. Deshalb habe ich mir die Rheuma-Simulationshandschuhe vom Bundesverband ausgeliehen. Sie können ein Gefühl dafür vermitteln, wie steif und unbeweglich Rheumahände sein können.
Die Handschuhe kamen zum ersten Mal beim Wochenendseminar vom Elternkreis Sachsen- Anhalt zum Einsatz. Eine Wasserflasche öffnen, Schuhe zubinden, Knöpfe öffnen oder schließen, einen Text schreiben, alltägliche Verrichtungen mit denen Rheumakids und Jugendliche sich täglich konfrontiert sehen – Eltern und Geschwister probierten diese Dinge mit den Handschuhen einfach mal aus. Die Resonanz war überwältigend und veranlassten mich dazu, die Handschuhe zu jedem Gespräch von Hilfesuchenden mitzunehmen und vorzustellen.
Schön schreiben? Schön wär`s…
Einmal traf ich bei meinen Aufklärungsgesprächen auf eine Lehrerin, die das Schriftbild einer jungen Rheumatikerin bemängelte. Ich bat sie, mit den Handschuhen einen Text zu schreiben – mit Aha-Erlebnis: Die Lehrerin entschuldigte sich später bei der Betroffenen. Der Handschuh hatte ihr gezeigt, wie schwierig Schreiben für das Mädchen ist. Ein anderes Mal bat mich ein betroffener Jugendlicher darum, seinen Eltern zu erklären, warum er morgens einige Dinge nicht kann. Ich ließ den Vater mit den Handschuhen ein Brötchen schmieren und Schnürsenkel binden.
Der Junge bekam Schuhe mit Klettverschlüssen und die Zubereitung des Frühstücks übernehmen an schlechten Tagen jetzt die Eltern. Kürzlich war ich in einem Kinderheim, in dem ein betroffenes Mädchen lebte. Es ging ihr vor allem darum, den Mitbewohnern zu vermitteln, wie eingeschränkt es an manchen Tagen ist. Wieder einmal durfte ich feststellen, dass es den meisten Menschen viel leichter fällt, zuzuhören und Einschränkungen zu akzeptieren, wenn sie eigenhändig erfahren haben, wie es ist, mit Rheuma zu leben.
Für mich sind die Handschuhe zu festen Begleitern geworden, um Angehörigen, Lehrern oder Erziehern verständlich zu machen, wie es sich anfühlt, sich mit Rheuma arrangieren - und manchmal auch kämpfen – zu müssen.
Mario Habermann-Krebs ist Bundessprecher im Ausschuss für Eltern rheumakranker Kinder und Jugendlicher.