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Brauchen wir den wirklich?

Sollen wir für unser Kind einen Schwerbehindertenausweis beantragen?

Diese Frage stellt sich Familie Gärtner. Rheuma bei Kindern betrifft die ganze Familie: Der Alltag muss komplett neu strukturiert werden. Viele Ausgaben, mit  denen eine Familie nicht gerechnet hat, tauchen auf. Die Krankenkassen und andere Träger übernehmen längst nicht alle krankheitsbedingten Kosten.

So auch bei Familie Gärtner: Sohn Jonas (10) muss wegen seiner juvenilen idiopathischen Arthritis mit Augenbeteiligung häufig zu Ärzten und Therapeuten. Da die Gärtners kein eigenes Auto haben, stellen alle Fahrten mit dem Bus oder Zug erhebliche Kosten dar.

Regelmäßig fallen zusätzlich Kosten für Unterkunft und Verpflegung an, wenn Jonas mehrere ambulante Termine bei Spezialisten wahrnehmen muss. Neuerdings müssen die Gärtners sogar den Test auf Eiweiß im Auge selbst finanzieren. Die Familie fragt sich daher, ob ein Schwerbehindertenausweis helfen kann, die finanzielle Last zu senken.

Annelie Schütte: Ihre Unsicherheit, für  Jonas einen Schwerbehindertenausweis zu beantragen, ist nur zu verständlich, zumal der sperrige  Begriff wenig Positives auszusagen scheint. Mit der Beantragung ist oft das  unbestimmte Gefühl  verbunden, die Beeinträchtigung durch dieses Dokument beim Kind festzuschreiben. 
Es hört sich aber viel schlimmer an, als es ist. Für Kinder wird der Schwerbehindertenausweis in der  Regel erst einmal auf zwei bis drei Jahre befristet. Er ist ein Instrument, das chronisch kranken Menschen und Menschen mit einer  Behinderung bestimmte Nachteilsausgleiche ermöglichen möchte, damit sie gesunden Menschen gleichgestellt sind. Er kann auch dazu beitragen,  finanzielle Nachteile etwas abzufedern. Dies gilt  besonders für Kinder. 
Wenn Jonas später ins Berufsleben einsteigt, werden noch weitere Überlegungen  notwendig. Der Schwerbehindertenausweis führt im Studium zu wirklich  wichtigen Nachteilsausgleichen und kann auch bei der Ausbildungsplatzsuche an Bedeutung gewinnen. Ein Antrag zu diesem Zeitpunkt will aber gut abgewogen sein.

Der Schwerbehindertenausweis setzt sich aus dem Grad der Behinderung (GdB) und gegebenenfalls den Merkzeichen zusammen. Nach dem GdB richtet sich unter anderem die Höhe des Steuerfreibetrags, den Sie als Eltern ab 25 Prozent in Zehnerschritten bei der Steuererklärung geltend machen können. Einen Schwerbehindertenausweis gibt es erst ab einem Grad der Behinderung von 50 Prozent. Liegt der Grad der Behinderung zwischen 25 und 45 Prozent erhalten Sie eine Bescheinigung. Weil bei Jonas viele Gelenke betroffen sind, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass ein Antrag zu einem Schwerbehindertenausweis führt. Dabei entscheiden die zuständigen Mitarbeiter nicht nach der Diagnose, sondern nach der Funktionseinschränkung, die mindestens seit einem halben Jahr bestehen muss oder absehbar auf Dauer bestehen wird. Sprechen Sie unbedingt vorher mit Ihren behandelnden Ärzten. Sie sollten Sie unterstützen, denn sie werden vom Amt um einen Bericht gebeten.

Um den Sachbearbeitern zusätzlich einen deutlichen Eindruck von Jonas’ Einschränkungen zu vermitteln, ist es hilfreich, in einem Begleitschreiben Ihre Alltagsbelastungen und krankheitsbedingten Probleme zu schildern. Jonas kann mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 Prozent bis zum 16. Lebensjahr das Merkzeichen „H“ zuerkannt bekommen. Es steht für „hilflos“; Erwachsene erhalten es erst bei einem Grad von 100 Prozent Schwerbehinderung. Es bedeutet, dass der Antragsteller ständig auf fremde Hilfe angewiesen ist. Da Kinder die Bedeutung der Erkrankung nicht ab-und einschätzen können, wird bei ihnen meist die Notwendigkeit der ständigen Unterstützung durch die Eltern vorausgesetzt. Das „H“ wird dann schon bei einem niedrigeren Grad der Behinderung zuerkannt. Es führt zu dem höchsten Steuerfreibetrag von 3.700 Euro und der Möglichkeit, den Pflegepauschbetrag von 924 Euro einzusetzen.

Weitere mögliche Merkzeichen sind „G“ und „B“, da Jonas in schlechten Phasen und bei längeren Gehstrecken das Therapielaufrad nutzen muss. Das „G“ steht für eine erhebliche Bewegungsbeeinträchtigung im Straßenverkehr. Mit dem „G“, aber auch mit „H“ können Sie für 80 Euro eine Wertmarke kaufen, die es für ein Jahr ermöglicht, den öffentlichen Personenverkehr unentgeltlich zu nutzen. Enthält Jonas‘ Ausweis das Merkmal „H“, ist diese Nutzung für ihn sogar auf Antrag komplett kostenlos. Das Merkzeichen „B“ berechtigt Jonas, eine Begleitperson kostenfrei mitzunehmen. Das gilt nicht nur im öffentlichen Personenverkehr, sondern häufig auch bei Kino-, Museums- oder Schwimmbadbesuchen. Ihr Sohn darf aber trotzdem auch alleine fahren, etwa zur Schule.

Auf der Internetseite www.einfach-teilhaben.de können Sie die Antragsformulare herunterladen. Dort finden Sie auch alle Adressen der zuständigen Behörden. Sie können sich sonst auch einfach bei Ihrer Stadt- oder Kreisverwaltung erkundigen.

Die Entscheidung, ob ein Ausweis erteilt wird oder nicht, ist nicht einheitlich geregelt. Lassen Sie sich nicht einfach abspeisen, wenn ein Merkzeichen nicht gegeben wird oder der Grad der Behinderung zu niedrig erscheint. Innerhalb eines Monats können Sie Widerspruch gegen den amtlichen Bescheid einlegen. Wie so oft beim Rheuma gilt, dass Sie in der Widerspruchsbegründung Überzeugungsarbeit leisten müssen. Außenstehende können in der Regel nicht nachvollziehen, wie sich die chronisch rheumatische Erkrankung im Alltag auswirkt. Dies alles kostet meist viel Kraft und Nerven. 
Nehmen Sie deshalb gerne die Unterstützungsangebote unserer Ansprechpartner für Eltern rheumakranker Kinder an. Sie haben viele Herausforderungen bereits bewältigt und stehen Ihnen gerne mit Tipps und Gesprächen zur Seite.

Autorin

Annelie Schütte, Ansprechpartnerin für rheumakranke Kinder, Jugendliche und ihre Familien bei der Deutschen Rheuma-Liga Nordrhein-Westfalen.