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Loslassen – gar nicht so einfach

Bewerbung

Der Einstieg ins Berufsleben ist immer eine Herausforderung. Eine rheumatische Erkrankung kann die Suche nach einem Ausbildungsplatz verkomplizieren.

Yanicks Berufswunsch stand fest: Gestalter für visuelles Marketing. Deshalb wählten wir gemeinsam den Weg über ein Berufsbildungswerk, in welchem dieser Beruf als Ausbildung angeboten wird. Er stieg in eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme ein und absolvierte sein erstes Praktikum. Doch dann passierte etwas, womit wir alle nicht gerechnet hatten: Yanicks Berufswunsch veränderte sich.

Bewerbung, fertig, los!

Yanick wollte gerne eine wohnortnahe Ausbildung im Bereich Elektronik machen. So hieß es dann: Bewerbungen schreiben. Wir starteten mit der Recherche von Ausbildungsbetrieben – und stellten mit Erschrecken fest, dass es viele verschiedene Elektronikerrichtungen gibt und wir teilweise gar nicht wussten, was hinter den Berufsbezeichnungen steckt! Zwar kannten wir den einen oder anderen Betrieb. Trotzdem sahen wir es als hilfreich an, dass Yanick sich nicht nur für eine Ausbildung bewarb, sondern gleichzeitig für ein Praktikum. So konnten unser Sohn und die Firmen sich ein wenig kennenlernen. Gesagt, getan. Und es kam die nächste Frage auf: Sollen wir den Grad der Behinderung in der Bewerbung angeben – oder lieber nicht? Wir beschlossen, dass Yanick beide Varianten ausprobiert. Nach kurzer Zeit erhielt Yanick die ersten Anrufe auf seinem Handy, um Termine für Vorstellungsgespräche zu vereinbaren. Allerdings gingen diese Anrufe zwischen acht und 16 Uhr ein – während der Arbeitszeit im Berufsbildungswerk.

Handynutzung war in dieser Zeit nicht gestattet. Deshalb wurde ich unruhig und sorgte mich. Doch mein Mann und unser Sohn blieben gelassen. Yanick sagte zu mir: „Mama, bleib ruhig, ich habe das alles geregelt.“ Es dauerte bestimmt vier Wochen, bis mir das dank meiner Achtsamkeitsübungen gelang. Ich sagte mir: „Das gehört zum Erwachsenwerden dazu.“ Tatsächlich hat Yanick die Termine für seine Gespräche alle selbst koordiniert. Das macht mich sehr stolz!

Was sagt man im Gespräch?

Aber nun kam die nächste Hürde: Die Vorstellungsgespräche standen an. Wieder landeten wir bei der Frage, ob er seinen Grad der Behinderung und seine Einschränkungen thematisieren sollte. Was sagt er, was sagt er nicht, sagt er überhaupt etwas dazu von sich aus? Mein Mann und ich zerbrachen uns darüber die Köpfe: Uns lag es am Herzen, dass Yanick nicht benachteiligt wird. Doch für unseren Sohn war klar, dass er offen mit seinen Erkrankungen umgeht. Nur so konnten seine Gesprächspartner ihn so kennenlernen, wie er ist. Gesagt, getan! Yanick wurde für seinen Mut und seine Offenheit belohnt. Es folgten sieben Einladungen zum Vorstellungsgespräch sowie eine Einladung zum Assessment-Center, einem speziellen Auswahlverfahren, bei der Lufthansa. Vier Firmen boten Yanick die Möglichkeit, ein Praktikum zu machen. So sammelte er viele Erfahrungen sowohl im Zwischenmenschlichen als auch im Beruflichen und konnte besser für sich benennen, wo er gerne lernen wollte und wo nicht. Er sprach in allen Firmen offen und ehrlich über seine Schwierigkeiten, aber er versuchte auch, seine Stärken zu präsentieren.

Die Entscheidung fällt

Für unseren Sohn war am Ende klar, dass er Elektroniker für Antriebs- und Maschinentechnik in einer Firma 20 Kilometer von unserem Wohnort entfernt werden möchte. Dort machte er ein Langzeitpraktikum. Der Chef der Firma sagte uns einmal, für ihn sei Yanick ein ganz normaler junger Mann. Er sei neugierig, interessiert, frage nach und lasse sich auch nicht alles gefallen. Für seine körperlichen Einschränkungen gebe es Hilfsmittel, die sie sowieso in der Firma nutzen. So stand fest, wo die Ausbildung starten wird. Später traf telefonisch noch eine Einladung zum Vorstellungsgespräch ein. Ich hörte, wie Yanick sagte: „Vielen Dank, ich habe kein Interesse mehr.“ Im ersten Moment dachte ich: Das kann er doch nicht machen! Aber wieso nicht? Er hatte seine Lehrstelle, und es ist ganz allein seine Entscheidung.

Fazit: Von 24 geschriebenen Bewerbungen erhielten wir zwölf Antworten, davon sieben Einladungen, und Yanick konnte letztlich zwischen zwei Lehrstellen auswählen. Mittlerweile ist Yanick am Ende des ersten Ausbildungsjahres. Zu Beginn hat uns die Firma zu einem Gespräch geladen, um mehr über die Erkrankungen, Einschränkungen und Medikamente ihres Azubis zu erfahren. Sie wollten einen optimalen Umgang mit ihm in der Ausbildung finden.

Mut zur Offenheit

Es gibt nicht den richtigen Weg beim Bewerben, aber wir können jedem ans Herz legen, hinter dem stehen zu können, was geschrieben und gesagt wird. Außerdem möchten wir Mut machen, dass sich ein wenig Risiko lohnen wird – und wenn es „nur“ das Lernen aus Erfahrung ist. Außerdem hat jeder Mensch Schwächen, zu welchen auch gesundheitliche Einschränkungen zählen können. Doch gerade bei Bewerbungen sollte man die Stärken und besonderen Seiten aller Menschen mit Einschränkungen besonders betonen, sodass der Blick sich dorthin richten kann: weg vom Anderssein, hin zum Besonderssein.

Autorin: Um die Persönlichkeitsrechte von Yanick zu wahren, bleibt die Mutter anonym. Sie engagiert sich seit vielen Jahren ehrenamtlich als Elternvertreterin bei der Deutschen Rheuma-Liga.