Warum ist es sinnvoll, für rheumabetroffene Kinder einen Schwerbehindertenausweis zu beantragen? Welche Nachteilsausgleiche stehen betroffenen Schülerinnen und Schülern zu? Wie kommuniziert man mit Lehrkräften über die Erkrankung? Über diese und andere Fragen informierten sich 16 Mütter und Väter rheumabetroffener Kinder Anfang November 2024 in Koblenz.
Neben dem gegenseitigen Kennenlernen und regen Austausch standen vor allem fachliche Vorträge im Vordergrund. So referierte zum Beispiel Stephan Wagner, Leiter der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB) in Koblenz und im Landkreis Mayen-Koblenz zum Thema Behindertenausweis für Kinder und Jugendliche. Die Teilhabeberatung ist eine vom Gesetzgeber eingerichtete Beratungsstelle, die kostenlos zu Themen wie Teilhabeeinschränkungen, Behinderungen, Pflegegrad und Ähnliches berät. Diese Beratungsstellen gibt es bundesweit.
Was ist ein Nachteilsausgleich?
Julia Schmidt, Inklusionsberaterin der Integrierten Gesamtschule Koblenz, gab Informationen zum Thema Nachteilsausgleich und weitere Hilfen im Schulalltag. Ein Nachteilsausgleich dient dazu, Einschränkungen aufgrund einer Behinderung oder Beeinträchtigung auszugleichen. Sie stellt keine Bevorzugung gegenüber anderen Menschen dar. Im Gegenteil – betroffenen Kindern wird dadurch ermöglicht, die gleichen Ziele zu erreichen wie der Rest der Klasse. Nachteilsausgleiche können zum Beispiel längere Zeiten für Klassenarbeiten sein, wenn das Schreiben schwerfällt.
Die Art des Nachteilsausgleichs richtet sich nach dem individuellen Bedarf, muss aber auch auf die Bedingungen der jeweiligen Schule angepasst sein. Wer einen Nachteilsausgleich beantragen möchte, kann sich an eine Klinikschule oder eine inklusive Schule wenden. Diese nehmen gern Kontakt zu den Lehrerinnen und Lehrern der Heimschule auf und besprechen die verschiedenen Möglichkeiten. Übrigens: Nachteilsausgleiche werden unabhängig vom Schwerbehindertenausweis oder Pflegegrad gewährt – es zählt allein die Erkrankung.
Wie kommunizieren Eltern erfolgreich? Nach den Vorträgen gab es Rollenspiele, wie man erfolgreich mit Lehrkräften kommuniziert – etwa, um über die Krankheit zu informieren, aber auch, um einen Nachteilsausgleich zu ermöglichen. Ein Thema war zudem der Vorwurf, die Eltern kreisten wie Helikoptereltern zu sehr um ihr betroffenes Kind, um es zu beschützen. Dabei lernten wir von der Psychotherapeutin Leona Billenstein-Marks, in der Gesprächsführung drei wichtige Punkte zu beachten:
- Wesentliche Informationen: Was ist wichtig, was muss die Lehrperson über die Erkrankung wissen?
- Meine Ängste: Was sind meine Ängste für den Schulalltag meines Kindes?
- Meine Wünsche: Was wünsche ich mir für mein Kind?
Schnell stellten wir fest, dass diese drei Kernpunkte auch bei Gesprächen im privaten und beruflichen Bereich hilfreich sind. In den Workshops ging es außerdem darum, was man wo beantragt und wer einen dabei unterstützen kann. Inklusionsberaterin Julia Schmidt, Simone Kindel, Leiterin des Inklusionsbereichs am Wilhelm-Remy-Gymnasium Bendorf, und Kathrin Ivenz, Sozialfachkraft des Landesverbands Baden-Württemberg, gaben umfangreiche Informationen.
Wie hilft die Deutsche Rheuma-Liga?
Am Sonntag standen die Unterstützungsmöglichkeiten auf dem Programm, die die Deutsche Rheuma-Liga sowie die Landesverbände bieten. So gibt es zwei Onlineunterrichtseinheiten für Lehrkräfte der Sekundarstufen I und II zu Rheuma bei Kindern. Außerdem kann man den Rheuma-Simulationshandschuh ausleihen.
Damit können gesunde Kinder und Erwachsene ausprobieren, welche Schwierigkeiten an Rheuma Erkrankte zum Beispiel beim Schreiben oder auch beim Öffnen einer Flasche haben. Das Buch „Malus fantastische Hüte“ hat sich in der Grundschule bewährt. Für Eltern bietet die Rheuma- Liga eine Zusammenstellung der Möglichkeiten für einen Nachteilsausgleich sowie Flyer.
Die teilnehmenden Eltern fühlten sich alle gut informiert und rundum gestärkt – auch durch den Austausch. Sie freuten sich, dass sie als Multiplikatoren in ihren Landesverbänden künftig diese wichtigen Informationen weitergeben können. So können sie anderen Eltern und ihren betroffenen Kindern helfen. Das Seminar wurde ermöglicht durch die Förderung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Autorin: Daniela Wirth ist Landeselternsprecherin des Landesverbands Baden-Württemberg und ist außerdem im Elternausschuss der Rheuma-Liga tätig.