Frau Dr. Häfner, was sind die Auslöser einer Entzündung im Knie? Kann es nicht etwas anderes als Rheuma sein?
Das Kniegelenk erkrankt bei allen Formen der juvenilen idiopathischen Arthritis (JIA) am häufigsten. Bei der Oligoarthritis ist oft nur ein Kniegelenk entzündet, bei Polyarthritis sind meist beide Kniegelenke symmetrisch betroffen. Wenn die Erkrankung isoliert nur ein Kniegelenk betrifft, muss als Differentialdiagnose immer auch an eine Borrelieninfektion (Lyme-Borreliose) gedacht werden. Borrelien werden durch Zeckenbisse übertragen. Ein Bluttest kann den Verdacht bestätigen oder ausschließen.
Die Arthritis im Kniegelenk äußert sich in einer Schwellung meist oberhalb der Kniescheibe sowie einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung. Die Kinder nehmen unbewusst eine schmerzentlastende Schonhaltung ein, die sich als leichte Beugestellung äußert: Für sie ist es meist zu schmerzhaft, das Kniegelenk voll zu strecken. Das führt schon frühzeitig zu einem Muskelungleichgewicht mit erhöhter Spannung der Beugemuskulatur und nachlassender Aktivität der Streckmuskulatur. Doch auch umgekehrt ist es häufig schmerzhaft, das Knie komplett zu beugen. Betroffene Kinder sitzen daher nicht gern auf den Knien. Im Verlauf meiden die Kinder die schmerzhafte Streckung des Kniegelenks. Folglich wird die Streckmuskulatur am Oberschenkel schwächer, der Oberschenkel dünner. Bei kleinen Kindern, die sich noch im raschen Wachstum befinden, löst die Entzündung einen Wachstumsreiz im Kniebereich aus: Das betroffene Bein wird länger. Bei einseitigem Befall kann der Arzt Beinlänge und Oberschenkelumfang messen und mit der nicht-betroffenen Seite vergleichen. Daraus kann er indirekt ableiten, wie lange die Arthritis schon besteht und wie stark sie das Kind beeinträchtigt.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es in einem solchen Fall?
Grundsätzlich ergänzen sich bei der Therapie der JIA medikamentöse und krankengymnastische Maßnahmen. Die Behandlung muss frühzeitig beginnen, um Schonhaltungen rasch auszugleichen. So lange das Kniegelenk noch entzündet ist, stehen Therapien zur Entzündungshemmung und Schmerzlinderung ganz im Vordergrund. Dies erfolgt medikamentös mit sogenannten nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) wie Ibuprofen, Naproxen oder Indometacin. Wenn dies nicht ausreicht, kann durch eine Einspritzung von Kortison ins Gelenk die Arthritis rasch und effektiv behandelt werden. Neben der medikamentösen Therapie hilft regelmäßiges Kühlen des Gelenks gegen die Entzündung. Außerdem empfiehlt sich eine Entlastung des Kniegelenks durch Benutzung von Fahrzeugen wie Dreirad, Laufrad, Therapieroller oder auch Gehstützen.
Der Arzt hat auch Physiotherapie und Schuheinlagen verschrieben. Worauf müssen wir dabei achten?
Die Physiotherapie beginnt mit vorsichtigem Durchbewegen zur Schmerzlinderung und Bewegungsverbesserung. Wenn die Entzündung abgeklungen und die Beweglichkeit des Gelenks weitgehend normalisiert ist, kann die Physiotherapie zu aktiven Übungen für Muskelaufbau und Koordination übergehen. Dabei muss darauf geachtet werden, dass das Kind bei aktiven Übungen nicht in die Schonhaltung ausweicht. Der Schweregrad der Bewegungsübungen muss also langsam gesteigert werden. Eine bestehende Beinlängen-Differenz muss durch Erhöhung der Schuhe auf der gesunden Seite ausgeglichen werden, um ein Fehlwachstum der Wirbelsäule zu verhindern. Mit dem nächsten Wachstumsschub gleicht sich der Beinlängen-Unterschied oft wieder aus, weshalb die Beinlänge regelmäßig gemessen werden muss. Weiche Schuheinlagen nach Formabdruck des Fußes wirken dämpfend und damit lindernd auf die Entzündung, weshalb sie auch bei Arthritis im Kniegelenk großzügig eingesetzt werden sollten.
Wird unsere Tochter bleibende Schäden davontragen?
Das Kniegelenk ist bei der JIA in über 90 Prozent der Fälle betroffen und meist auch gut zu behandeln. Die Gelenkstrukturen sind relativ stabil, sodass auch eine über Monate anhaltende Entzündung häufig keine Schäden hinterlässt. Am besten ist die Prognose natürlich, wenn frühzeitig eine wirksame medikamentöse und krankengymnastische Therapie erfolgt. Damit bleiben Funktion und Struktur erhalten und die Kinder können das Kniegelenk wieder normal belasten.