Meine Geschichte soll aufmuntern, nicht herunterziehen. Sie soll Mut machen und ein Lächeln in all die Gesichter zaubern, die mit der Krankheit Rheuma zu kämpfen haben. Sie soll Augen öffnen für Verständnis, Emphatie und die Fähigkeit, nicht (falsch) zu urteilen.
Es begann an Heiligabend, als ich 17 Monate alt war. Ein schönes Fest sollte es werden. Meine große Schwester Lara war schon ganz aufgeregt. Ich dagegen war eher skeptisch. Eigentlich war mir so gar nicht zum Feiern zumute. Eigentlich ... war mir zum Heulen zumute. Und das tat ich dann auch. Laut und herzzerreißend. Hatte ich Hunger, Durst oder war die Windel voll? Mama ging mit mir ins Badezimmer, um nach dem Rechten zu sehen. Auf dem Wickeltisch stellte sie fest, dass mein Knie ganz dick und heiß war. Auch Papa war erstaunt. Innerhalb von einer Stunde landeten wir beim Kinderarzt, der uns mit einem leisen Verdacht auf eine Entzündung gleich am nächsten Tag in die Kinderklinik nach Tübingen schickte. Und das an Weihnachten! Vermutlich nichts Schlimmes, sagte der zuständige Arzt, vielleicht eine Art „Hüftschnupfen“. Wir waren erleichtert. Wir sollten uns nach den Weihnachtsfeiertagen nach dem Jahreswechsel für weitere Untersuchungen melden.
Nun begann eine lange Odyssee. Viele Untersuchungen folgten. Mehrmals musste ich in ein großes Gerät, das aussah wie eine Röhre. Man gab mir dann Zaubersaft, damit ich einschlief.
Ein neues Leben
Gut eine Woche lang wurde so ziemlich alles untersucht. Am Ende stand die Diagnose: juvenile idiopathische Arthritis. Was – Rheuma? Das haben doch nur alte Leute? Ich sehe den verwunderten Gesichtsausdruck meiner Eltern noch heute vor mir. Und der sah nicht besonders intelligent aus. Nun hieß es also MTX spritzen, Kortison-Stoß-Therapie und und und. So viel prasselte auf mich ein. Nun begann ein anderes Leben für mich und meine Familie. Die Spritzen taten weh, aber ich hatte ja zwei Arme und zwei Beine, mit denen ich mich großartig wehren konnte – sehr zum Leidwesen meiner Mama, die das Piksen übernahm. Mein Papa musste mich so lange im Zaum halten. Dennoch war ich nicht unterzukriegen. Ich konnte lachen, dass es meinen Mitmenschen sehr schwer fiel, nicht einzustimmen. Ich konnte, dank der Medikamente, auch wieder laufen und hüpfen. Ich tanzte immerzu durch die Räume. Natürlich waren immer wieder diverse Gegenstände im Weg, die ich unbedingt hinausschaffen musste, ich machte mir Platz – Platz für mein „anderes“, neues Leben.
Immer wieder landeten wir in der Klinik. Da war es aber gar nicht so übel: Es gibt dort Spielzimmer, die sind dreimal so groß wie mein eigenes Kinderzimmer. Das Essen ist auch ganz passabel. Nutella mit Wecken (nicht andersherum), frisches Obst und Nudeln mit leckerer Soße. Mhh …
Fiese Infekte
Mein Immunsystem spielte Streiche mit mir. Und ich bot ihm Paroli. Und das konnte ich gut! Es gibt ja diese fiesen kleinen Viren und Bakterien, die mich immer wieder piesacken. Bei jedem Infekt, jeder Erkältung und jedem Krankheitsanzeichen waren und sind meine Eltern in Alarmbereitschaft, denn häufig lösen diese einen Rheumaschub aus oder ärgern mich so sehr, dass ich schon auch einmal in Quarantäne in die Kinderklinik muss. Und dabei bin ich doch am liebsten draußen in freier Natur, ob‘s regnet oder ob die Sonne scheint. Ich spiele gerne mit Schnecken.
So wurde ich größer und größer, ich wuchs in die Länge, mein Babyspeck verschwand und mit ihm auch die Angst vor den vielen Ärzten, den Rheumatologen, die mich immerzu am ganzen Körper unter suchen, bis zum kleinen Zeh, dem Augenarzt, der mich lobte, wenn ich still auf dem Stuhl sitzen blieb und nicht blinzelte, dem Kinderarzt, bei dem es die besten Gummibärchen auf der ganzen Welt gab, dem Kardiologen, der mir zeigte, wie schön bunt mein Herz schlägt, und den Physiotherapeuten, denen ich es zu verdanken habe, dass ich heute die Balance besser halten kann als viele gesunde Kinder in meinem Alter.
Mitspielen trotz Rheuma
Mittlerweile bin ich fünf Jahre alt, gehe in den Kindergarten und tanze mich durchs Leben, durch mein Leben, das ich liebe. Meine Eltern nennen mich Happy Feet, das bedeutet: fröhliche Füße. Meine Füße stehen nie still, sie müssen immerzu tanzen oder hüpfen – obwohl meine Knie, meine Sprunggelenke und meine Hüfte immer wieder in Mitleidenschaft gezogen werden und einige Gelenke schon punktiert worden sind. Ich möchte aufwachsen wie alle anderen Kinder auch. Gut, Trampolinspringen ist nicht drin, aber dafür darf ich mich in die Mitte setzen und den Spielleiter spielen. Eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe. Rutschen ist auch nicht immer erlaubt. Dann stehe ich oben und gebe das Kommando zum Losrutschen oder fange ganz unten die Kleinsten auf. Das macht einen riesengroßen Spaß und ich kann trotz allem mitspielen. Einen Riesenspaß macht mir auch das Radfahren. Die Ärzte sagen sogar, das wäre gut für mich.
Wir haben auch sehr traurige Tage, an denen ich mich kaum bewegen möchte. Aber ich lasse mich von der Krankheit Rheuma nicht unterkriegen! Zusammen mit meiner tollen und lustigen Familie, die mir einfach alles bedeutet, genieße ich jeden Tag, ich freue mich über so viele Kleinigkeiten, die mir Kraft geben und mich erheitern. Manchmal ... manchmal träume ich davon zu fliegen. Leicht zu sein, wie ein Vogel, nicht mehr laufen zu müssen. Und vielleicht – vielleicht gibt es ja bald einmal eine Erfindung, die mich fliegen lässt. Mama und Papa sagen, sie können mir diesen Wunsch irgendwann einmal erfüllen, wenn ich größer bin. Den Wunsch vom Fliegen. Aber im Moment bleibe ich lieber der Erde treu und tanze mich in den Sonnenschein.
Dies ist meine Mutmach-Geschichte für alle Kinder, die an Rheuma erkrankt sind. Lasst euch davon nicht unterkriegen! Habt Spaß und Freude mit euren Familien und Freunden. Lacht viel, das ist gesund, und habt keine Angst vor den Ärzten – sie wollen euch helfen!