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Bewegte und bewegende Erlebnisse

Ich habe gehört, dass motopädagogische Bewegungskonzepte die medizinische Behandlung von rheumakranken Kindern ganzheitlich unterstützen können. Was genau ist darunter zu verstehen?

Motopädagogische Bewegungsangebote bieten rheumakranken Kindern Raum zum Erfahren alternativer Stärken. Bewegung ist für alle Kinder wesentlich für ihre persönliche, intellektuelle und soziale Entwicklung. Kinder brauchen bewegte und bewegende Erlebnisse, um den eigenen Körper und damit sich selbst kennenzulernen, um soziale Kontakte zu knüpfen und so ein positives Selbstkonzept aufbauen zu können. Dies gilt genauso uneingeschränkt für Kinder mit rheumatischen Erkrankungen. Sie haben ein besonderes Bedürfnis nach selbsttätigem kreativen Handeln, das über medizinisch ausgerichtete Bewegungsformen hinausgeht, diese ergänzt und so therapeutische Ziele unterstützt.

Motopädagogische Gruppenangebote bieten einen Rahmen, der auf diese Bedürfnisse zugeschnitten ist. Motopädagogik ist Entwicklungs- und Gesundheitsförderung durch Bewegung. Der Begriff setzt sich aus den Begriffen „Motorik“ (Bewegung) und „Pädagogik“ (Erziehung) zusammen. Auf beide Aspekte hin ausgerichtete Angebote können unterstützend dabei wirken, Beeinträchtigungen im sozialen Leben und im emotionalen Erleben auszugleichen, die Kinder infolge von Einschränkungen in ihrer Wahrnehmungs- oder Bewegungsfähigkeit erfahren können.

Motopädagogik ist jedoch auch Persönlichkeitsbildung – spielerisch und gleichzeitig wirkungsvoll. Grundlage des Konzepts ist der psychomotorische Ansatz, der vor etwa 60 Jahren in Deutschland entwickelt und zunächst erfolgreich in der Jugendpsychiatrie eingesetzt wurde. Später entwickelte man ihn für die Motopädagogik weiter.

Vielseitigkeit & Vielsinnigkeit

In motopädagogischen Bewegungsangeboten werden möglichst offene Situationen, Erlebnis- und Handlungsräume bereitgestellt, in denen psychische, physische und soziale Entwicklung stattfinden kann. Die konkreten Inhalte eines Kurses variieren dabei und sind immer speziell auf die Bedürfnisse der jeweiligen Gruppe ausgerichtet. Gemeinsam haben Sie aber eines: Vielseitig und spielerisch werden mit unterschiedlichen Materialien, Turngeräten, Bewegungsspielen, Musik, sowie Entspannungsgeschichten und Fantasiereisen sowohl sowohl Gleichgewichtssinn, Tiefen- und Oberflächensensibilität, Koordination, Kraft und Ausdauer, als auch selbsttätiges Handeln und Handlungsplanung, Gefahreneinschätzung und soziale Kompetenzen gefördert. Die Kinder haben die Möglichkeit, die eigene Rolle in einer Gruppe zu erleben und zu gestalten. Mutig etwas wagen oder auch einmal nur zuschauen und ausruhen – für alle Bedürfnisse ist Platz.

Wie kann so etwas in der Praxis aussehen? Eine Mädchengruppe im Alter von elf bis 13 Jahren entwickelt eigene Bewegungsspiele, für die sie selbsttätig Regeln entwirft, eine Gruppe jüngerer Kinder im Alter von fünf bis neun Jahren baut unter anderem mit Tüchern, Bällen, Reifen und Seilen eine Eisenbahn für Rollbretter, die im Verlauf der Einheit von den Kindern zu einer komplexen Bewegungslandschaft mit Tunnel, Schranken und Blumenbeeten ausgestaltet wird (Fotos). Alle Kinder können sich mit Spaß und Freude an den Kurs einheiten beteiligen und motopädagogische Prinzipien, wie die Integration aller Kursteilnehmer, ganz selbstverständlich umsetzen.

Erfahrung von „Ich“ und „Wir“

Neben der Förderung des Einzelnen zielen motopädagogische Angebote speziell auf die Entwicklung der Gruppe. Vor allem geht es darum, über die gemeinsame Bewegung in Kontakt zu kommen. Diese Einbindung in eine Gruppe ist für rheumakranke Kinder eine wichtige Erfahrung, mussten einige von ihnen sich selbst doch vielleicht aufgrund ihrer Erkrankung bereits früh in einer Außenseiter - position erleben. Außerdem bieten motopädagogische Angebote den Kindern Ansätze, die zu neuen Freizeitaktivitäten führen können, wenn diese zuvor vielleicht aufgrund der Erkrankung aufgegeben werden mussten.

So wie eine dreizehnjährige Teilnehmerin mit Dermatomyositis. Im Bewegungsprojekt erlebte sie, wie ihre Spielideen von der gesamten Gruppe aufgegriffen, weiterentwickelt und so gestaltet wurden, dass alle, auch sie selbst, an zum Teil selbst erfundenen Spielen teilnehmen konnten. Einige Kinder erlebten während ihres Therapieaufenthalts und der wöchentlichen Teilnahme am Bewegungsprojekt auch den Wiedererwerb motorischer Fähigkeiten. Im Projekt konnten sie diese nach Lust und Laune ausprobieren.

Ein achtjähriger Kursteilnehmer mit juveniler idiopathischer Arthritis zum Beispiel nahm am Anfang in seinem Rollstuhl sitzend teil. Seine Idee war es, eine Eisenbahnlandschaft für Rollbretter zu bauen. Sein Rollstuhl sollte die Lok für mehrere, mit Seilen hintereinander geknotete Rollbretter und ihre jeweiligen Fahrer sein. Aber schon beim nächsten Mal konnte er ohne seinen Rollstuhl teilnehmen, da er durch seine Therapie mobiler geworden war.

Die Idee der Eisenbahnlandschaft wurde von der Gruppe dennoch wieder aufgegriffen und fortgeführt. Der Achtjährige war bei allen Aktivitäten rund um den Bau der Eisenbahn nun anders dabei, als es ihm zunächst möglich gewesen war. Er konnte dabei genau das ausprobieren, was ihm persönlich besonders wichtig war.

Ganzheitliche Bewegungserfahrungen in einer Gruppe können in diesem Sinne die Ziele einer Therapie unterstützen.

Die Autorin Natascha Komander arbeitet als Motopädagogin und lebt in Bad Bramstedt.

Informationen zum Konzept bei IBAF Staatlich anerkannte Fachschule für Motopädagogik, Zentrum für Motopädagogik in Neumünster, im Internet erreichbar unter:
www.ibaf.de/motopaedagogik.html